Deutschland und Österreich an geschlossener Front gegen Brüsseler Gen-Editing-Pläne – EURACTIV.com
4 min readLandwirtschaftsminister aus Deutschland und Österreich lehnen die Pläne der Kommission ab, neue Gentechniken EU-weit zu deregulieren. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sie eine geschlossene Front gegen den Vorschlag Brüssels zum Schutz ihrer riesigen Bio-Sektoren bilden können.
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Neue Gen-Editing-Techniken, mit denen Pflanzen gezielt gentechnisch verändert und beispielsweise resistenter gegen Hitze oder Schädlinge gemacht werden können, könnten einem in der vergangenen Woche vorgelegten Kommissionsvorschlag zufolge bald teilweise dereguliert und wie die konventionelle Pflanzenzüchtung behandelt werden.
Doch die europäischen Gesetzgeber im Europäischen Parlament und die Minister des Rates, die beide noch nicht über den Kommissionsvorschlag abgestimmt haben, haben trotz der hitzigen Debatten, die er auf gesellschaftlicher Ebene ausgelöst hat, noch keinen großen Widerstand geäußert.
Im Parlament lehnten lediglich die Grünen den Vorschlag ab und sprachen sich gegen die Deregulierung neuer Gentechnologien aus.
Auf Ratsseite haben sich jedoch die Agrarmächte Frankreich und Spanien, die auch die rotierende Ratspräsidentschaft innehaben, für den Einsatz neuer Gentechnologien ausgesprochen, während die meisten anderen Länder bisher kaum Widerstand geleistet haben.
Rezensionen von Berlin und Wien
Allerdings könnten die deutschen und österreichischen Landwirtschaftsminister geneigt sein, sich im Agrarrat gegen die Pläne Brüssels zu stellen.
„Das Vorsorgeprinzip muss weiterhin berücksichtigt werden“, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir in einer Erklärung.
„Es ist zu bezweifeln, dass der aktuelle Entwurf dem gerecht wird“, fügte er hinzu.
Der Vorschlag dürfe nicht „zur Einführung von Biopatenten durch die Hintertür führen“, warnte Özdemir. Während das Saatgut derzeit nicht patentierbar ist, befürchten Kritiker, dass große Unternehmen wie Bayer neue Gentechnologien nutzen könnten, um Rassen zu patentieren und den Zugang zu Saatgut einzuschränken.
Kritik kam auch von Özdemirs Amtskollege Norbert Totschnig von der konservativen ÖVP, der nach seinem Schweigen nach der Vorlage des Kommissionsvorschlags letzte Woche auf Anfrage von EURACTIV heftige Kritik äußerte.
„Die österreichische Landwirtschaft ist gentechnikfrei und diese Vorreiterrolle wollen wir beibehalten“, erklärte er.
Der Vorschlag der Kommission „widerspricht der österreichischen Landwirtschaft und beraubt die Verbraucher ihrer Wahlfreiheit“, fügte er hinzu.
Der Vorschlag der Kommission, Pflanzen, die mit bestimmten neuen Gen-Editing-Techniken erzeugt wurden, den konventionell gezüchteten Pflanzen gleichzustellen, würde auch dazu führen, dass die Kennzeichnungspflicht als gentechnisch veränderte Organismen entfällt, fügte der österreichische Minister hinzu.
Kritiker wie Totschnig befürchten daher, dass es für Produzenten und Verbraucher unmöglich werden könnte, sich bewusst für gentechnikfreie Produkte zu entscheiden.
Angst um den Biosektor
Eine der Hauptsorgen der Bio-Branche besteht darin, dass der Vorschlag die Rückverfolgbarkeit genetischer Veränderungen gefährden könnte, da das Bio-Siegel auch eine nachweislich gentechnikfreie Produktion erfordert.
Es dürfte daher kein Zufall sein, dass insbesondere Deutschland und Österreich als Länder mit einem besonders großen und traditionellen Bio-Sektor einer Lockerung der Regeln zur Gentechnik skeptisch gegenüberstehen.
„Unser Agrar- und Ernährungssektor, ob konventionell oder biologisch, darf in seiner wirtschaftlichen Substanz nicht gefährdet werden“, betonte Özdemir. Daher sind wirksame Maßnahmen erforderlich, um die Koexistenz zwischen neuen Gentechnologien und ökologischem Landbau sicherzustellen.
„Die Koexistenz mit der ökologischen Produktion muss gewährleistet sein“, fügte Totschnig hinzu und sprach stellvertretend für ein Land, in dem der ökologische Landbau 25 % der Ackerfläche ausmacht – mehr als in jedem anderen EU-Staat.
Auch Österreich produziert und exportiert viele konventionell hergestellte, aber zertifiziert gentechnikfreie Lebensmittel, was durch den Kommissionsvorschlag ebenfalls gefährdet werden könnte.
Eine Blockade ist unwahrscheinlich
Dies sollte auch erklären, warum Österreichs konservative Regierungspartei ÖVP die vorgeschlagene Lockerung der Gen-Editing-Regeln ablehnt, die derzeit von der europäischen Fraktion, der sie angehört – der Europäischen Volkspartei (EVP), – favorisiert wird.
Im Koalitionsvertrag von 2020 einigten sich die ÖVP und ihr Juniorpartner Grüne darauf, einer Neuregelung zur Gen-Editierung nicht zuzustimmen.
Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass beide Länder den Entwurf im Rat einfach blockieren, da Totschnig und Özdemir erklärt haben, dass sie konstruktive Verhandlungen zur Verbesserung der von ihnen kritisierten Punkte befürworten.
Auch auf deutscher Seite scheint es, dass Özdemir noch nicht mit der Unterstützung der gesamten Regierung rechnen kann.
Während andere grün geführte Ministerien und SPD-Entwicklungsministerin Svenja Schulze sich gegen den Vorschlag der Kommission aussprachen, befürwortet die FDP vehement den Einsatz neuer Gentechnologien.
Sollte sich die Bundesregierung in dieser Frage nicht einigen, müsste sich Deutschland offenbar der Stimme im Rat enthalten.
[Edited by Gerardo Fortuna/Alice Taylor]
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