November 15, 2024

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“Es ist eine Katastrophe”: Bundesliga-Trainer sorgen sich um den deutschen Jugendfußball | Sport | Deutscher Fußball und große internationale Sportnachrichten DW

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Vor drei Jahren hat Borussia Mönchengladbach sein brandneues Akademieviertel enthüllt. Der für 3,5 Millionen Euro gebaute “Fohlenstall” bietet Unterkunft und erstklassige Einrichtungen für bis zu 24 Spieler der Vereinsjugend.

Die Nachwuchsförderung ist ein wichtiger Bestandteil der langfristigen Gladbacher Strategie – sowohl im Hinblick auf die Qualität des Spielfeldes als auch auf die Generierung von Transfereinnahmen. Doch abgesehen von Mahmoud Dahoud (12 Millionen Euro für Borussia Dortmund 2017) und Marc-Andre ter Stegen (14 Millionen Euro für Barcelona 2014) gab es in den letzten Jahren Luft nach oben, wenn es um die Nachwuchsförderung im Heimspiel geht.

Doch seit Ende Oktober ruht der Jugendfußball wegen der Pandemie. In Bundesliga-Akademien dürfen nur noch die älteren Altersklassen von unter 17 bis unter 23 spielen – unter strengen Hygienevorschriften.

“Die Jungs haben fast ein halbes Jahr ihrer Entwicklung verpasst”, sagt Gladbachs Akademieleiter Roland Virkus der DW. „Spieler, die am Rande der Herrenmannschaft stehen, können nicht nach oben gehen, es gibt keine Pflichtspiele, niemand sieht Trainingseinheiten, es gibt keinen Scout. Es könnte sein, dass ein oder zwei Spieler durchs Netz rutschen ist eine Katastrophe.”

Elite-Akademien der Bundesliga sind nur ein Ring in der Kette der Fußballtalente. Nicht nur den A-Nationalmannschaften der Klubs fehlt eine wichtige Verstärkungsquelle, auch die Akademien selbst sind nicht in der Lage, neue Talente zu gewinnen.

„Diese Spieler werden nicht in unseren Akademien geboren, sie kommen über kleinere Vereine zu uns“, erklärt Virkus. “Aber wenn das Fundament geschwächt ist, wird auch die obere Ebene geschwächt.”

‘Projekt Zukunft’

Die Pandemie mag die Bundesliga-Klubs vor unmittelbare Probleme stellen, doch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) macht sich seit einiger Zeit Sorgen über die Situation der Nachwuchsförderung im Land.

Deutsche Jugendmannschaften haben sich in den letzten Jahren nicht für weitere internationale Turniere qualifiziert, aber als die erste Mannschaft 2018 aus der WM in Russland geworfen wurde, schrillten die Alarmglocken wirklich im November gegen Spanien, als Deutschland in Sevilla mit 0:6 verlor, hat DFB-Fußballdirektor Oliver Bierhoff den prachtvollen Namen “Projekt Zukunft” ins Leben gerufen.

“Wenn wir jetzt nicht handeln, gefährden wir den deutschen Fußball der Zukunft”, schrieb Bierhoff in einer Kolumne in Weltsonntag Flugblatt vor kurzem. “Wir haben keine Zeit zu verlieren.”

Im Rahmen des Projekts Zukunft hat der DFB in Zusammenarbeit mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) eine Reihe von Reformvorschlägen erarbeitet, darunter die Abschaffung der Nachwuchsabteilungen der Bundesliga in ihrer jetzigen Form. Statt Ranglisten, Auf- und Abstiegen verlagert sich der Fokus auf die Entwicklung.

“Kinder und Jugendliche müssen wieder Spaß am Fußball haben”, schrieb Bierhoff. “Mehr Zeit am Ball, mehr Zeit auf dem Platz – wir brauchen mehr Spieler mit Street-Mentalität.”

Dies ist keine neue Anforderung. Schon vor dem Ausbruch in Russland gab es in Deutschland Bedenken, dass die revolutionären Reformen, die die WM-Helden 2014 des Landes hervorgebracht hatten, letztlich zu viele eindimensionale Spieler hervorgebracht hatten: Spieler mit perfekter Passtechnik und hohem taktischen Bewusstsein, aber ohne Rohheit, individuelle, unvorhersehbare Qualitäten, die auf höchstem Niveau den Unterschied machen können. Aber ist es schon zu spät?

“Idealerweise sollte man mit der Veränderung der Strukturen beginnen, wenn es gut läuft, und nicht warten, bis es nicht mehr funktioniert”, sagt Martin Jedrusiak-Jung, Sportwissenschaftler an der Deutschen Sporthochschule Köln. “Fußball entwickelt sich dynamisch und man muss aufpassen, mitzuhalten.”

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Internationale Vergleiche

Der deutsche Fußball hat für sein System, das unter anderem Bastian Schweinsteiger, Mesut Özil, Manuel Neuer und Thomas Müller hervorgebracht hat, Bewunderer aus aller Welt angezogen – doch internationale Vergleiche sind heute weniger günstig, da Deutschland in der Nachwuchsförderung hinterherhinkt.

“In Frankreich ist das Training an das Bildungssystem angepasst, was bedeutet, dass junge Fußballer 25 Stunden pro Woche nur auf Fußball konzentrieren können”, sagte Jedrusiak-Jung von der Nation, die so Weltklasse-Talente wie Kylian Mbappé, Anthony Martial, hervorgebracht hat. N’golo Kanté und Benjamin Pavard in den letzten Jahren und gewannen 2018 die WM. “Aber sie haben erst die richtigen Strukturen dafür geschaffen.”

Englische Spieler hören während einer Trainingseinheit in St.  Georges Park

Englische Spieler trainieren in St. George’s Park – eine Investition in die Spiele der Zukunft

Auch in England, wo die Premier League lange Zeit von nicht-englischen Spielern dominiert wurde, zweifellos auf Kosten der Nationalmannschaft, hat der Fußballverband (FA) den Handlungsbedarf erkannt und den sogenannten Elite Player Performance Plan eingeführt (EPPP) im Jahr 2012. Im selben Jahr wurde die neue St. George’s Park National Football Center in Burton-upon-Trent wurde für 120 Millionen Euro eröffnet.

Außerdem gibt es in den Juniorenligen keinen Wettbewerb mehr. Stattdessen arbeitet die English Football League mit dem FA und den Regionalverbänden zusammen, um jährlich rund 6.000 Spiele von U9 bis U19 auszurichten, wobei der Schwerpunkt auf der technischen Entwicklung und nicht unbedingt auf dem Sieg liegt.

“In England hat man nicht nur direkt in Spieler investiert, sondern in Wissen, Infrastruktur und vor allem in die Trainerausbildung”, sagte DFB-Nachwuchstrainer Meikel Schönwitz kürzlich dem ZDF. “In erster Linie wird Wert auf die individuelle Entwicklung gelegt und Strukturen und das Umfeld werden speziell dafür entwickelt.”

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Zurück in Mönchengladbach stimmt auch Akademie-Direktor Roland Virkus zu: “Jugendtrainer sind den Spielern am nächsten”, sagt er. “Sie haben den größten Einfluss auf ihre Entwicklung.”

Schlafräume, Klassenzimmer, Gemeinschaftsraum, Innenräume, Küche und Sauna im Fohlenstall sind darauf ausgelegt, und Gladbach hofft, auch in den nächsten Jahren davon profitieren zu können. Bisher ist aber noch alles auf Eis gelegt.

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